Pressemitteilung vom 12.März 2025
Innovationsschub durch Additive Fertigung? Neuer Ansatz zur Optimierung patientenindividueller bioresorbierbarer Implantate
Aachen, 12. März 2025 – Der Lehrstuhl Digital Additive Production DAP der RWTH Aachen erforscht gemeinsam mit Projektpartnern im Rahmen des reACT-Bündnisses einen neuartigen Ansatz zur patientenspezifischen Auslegung bioresorbierbarer Implantate. Besonders für Critical Size Bone Defects, etwa in Röhrenknochen, soll die Kombination von Additiver Fertigung, automatisierter Designkonfiguration und bioresorbierbarer Zink-Magnesium-Legierung neue Möglichkeiten eröffnen, die Nebenwirkungen konventioneller Implantat-Therapien signifikant zu reduzieren
Knochendefekte, verursacht durch Unfälle, angeborene Fehlbildungen oder Tumorresektion, erfordern komplexe Rekonstruktionsverfahren. Diese sind nicht nur mit erheblichen gesund-heitlichen Belastungen für Patient*innen verbunden, sondern auch mit hohen Kosten für das Gesundheitssystem. Dauerfeste Implantate – etwa aus Titan – können aufgrund von Lastabschirmung das refraktur-Risiko erhöhen und erfordern häufig Folgeoperationen zur Entfer-nung des Implantats. Die Entwicklung innovativer Materialien und Designmethoden ist daher essenziell, um sowohl die klinischen als auch die sozioökonomischen Behandlungsergebnisse zu verbessern.
Additive Fertigung als Schlüsseltechnologie
Die Additive Fertigung bietet durch ihre nahezu grenzenlosen Gestaltungsmöglichkeiten ideale Voraussetzungen für die Entwicklung patientenindividueller Implantate. Im Rahmen des reACT-Bündnisses wird ein algorithmusbasierter Design-Konfigurator für Röhrenknochendefekte erforscht der automatisiert auf Basis patientenspezifischer Parameter, wie Defektgeometrie, Alter, Knochendichte und Gewicht, ein optimiertes Implantat-Design generiert. Dieses wird zugleich für die Fertigung mittels pulverbettbasiertem Laserstrahlschmelzen (PBF-LB) metallischer Werkstoffe, so zum Beispiel Zink-Magnesium-Legierungen, angepasst.
Automatisiert zum patientenoptimalen Implantat: Der Design-Konfigurator
Ein Design-Konfigurator basiert auf einem Algorithmus, bestehend aus verknüpften logischen, mathematischen und geometrischen Operatoren, der das Implantat-Design funktionsweise widerspiegelt. In einem ersten Schritt definiert der Design-Konfigurator z.B. auf Basis seg-mentierter CT-Daten der Defektstelle den geometrischen Gestaltungsraum für das Implantat, den sogenannten Design Space (Bild 1).
In einem weiteren Schritt werden innerhalb des Design Spaces anpassbare Gitterstrukturen generiert, die eine gleichmäßige Resorption des Implantats gewährleisten (Bild 2). Durch die gezielte Variation von Geometrie und Anordnung wird das Einwachsen von Gewebe gefördert und Abbauprodukte können kontrolliert abtransportiert werden. Zudem kann die Implantat-Struktur an patientenspezifische biomechanische Belastungen angepasst werden, um das Refrakturrisiko zu minimieren.
Optimale Materialeigenschaften: Entwicklung einer Zink-Magnesium Legierung
Zink- und Magnesium-Legierungen gelten als vielversprechende Werkstoffe für resorbierbare Knochenimplantate. Während reines Zink (Zn) über günstige Resorptionseigenschaften verfügt, weist es nicht die erforderliche mechanische Festigkeit für den Einsatz in Implantaten auf. Magnesium (Mg) hingegen wird aufgrund seiner knochenähnlichen mechanischen Eigenschaften bereits als Material für die Herstellung von Implantaten – beispielsweise in der Fußchirurgie – verwendet. Es baut sich jedoch im Körper in speziellen Anwendungen zu schnell ab und im feuchten Milieu des Gewebes kann es zu Gasbildung kommen.
In einem breit gefächerten Legierungsscreening verschiedener Zusammensetzungen, von reinem Zink bis zu einer Zn8Mg-Legierung, wies die ZnMg Legierung mit ≤ 1 wt-% Magnesi-um die besten Eigenschaften zur Anwendung als Knochenersatzprodukt auf.
Erster Demonstrator: Implantat für einen kritischen Röhrenknochendefekt
Ein erster Demonstrator wurde erfolgreich additiv gefertigt. Angepasst an die individuelle Größe des Defekts und des Knochens an der Defektstelle, wurde ein zylinderförmiger Design Space generiert. Eine Auswahl an Gitterstruktur-Geometrien konnte automatisiert in den Design Space eingepasst werden. Die Geometrien können bereits in ihrer Anordnung, der Größe der Einheitszellen und des Strebendurchmessers angepasst werden (Bild 3).
Mit diesem innovativen Ansatz trägt das reACT-Bündnis dazu bei, die nächste Generation patientenspezifischer, bioresorbierbarer Implantate zu realisieren – für verbesserte klinische Ergebnisse und eine nachhaltige Entlastung des Gesundheitssystems. Die Methode des Design-Konfigurators kann dafür an weitere Anwendungsfälle, wie Wirbelcages und Kieferimplantate, angepasst werden.
Partner in dieser Forschungsarbeit im Rahmen des reACT-Bündnisses (Vertical 3):
• Meotec GmbH
• Medical Magnesium GmbH
• Fibrothelium GmbH
• Uniklinikum Aachen
• Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
• RWTH Aachen Lehrstuhl DAP
Das reACT-Bündnis („Resorbierbare, medizinische Lösungen aus der Aachener Technologie-region“, Förderkennzeichen: 03RU1U173C) ist Teil des Förderprogramms „RUBIN – Regionale unternehmerische Bündnisse für Innovation und gefördert durch das BMBF.
Bild 1:
Funktionsweise und Bedienoberfläche des Design-Konfigurators.
© RWTH DAP.
Bild 2:
Gitter-Testdemonstrator zur Bewertung und Bestimmung der mechanischen Eigenschaften.
© RWTH DAP / Irrmischer.
Bild 3:
Erfolgreich gefertigter Demonstrator zur Behandlung eines kritischen Röhrenknochendefekts.
© RWTH DAP
Joana Schulte, M. Sc.
RWTH Aachen Lehrstuhl für
Digital Additive Production DAP
Gruppe Data Driven Design
Campus-Boulevard 30
52074 Aachen
Florian Fischer, M. Sc.
RWTH Aachen Lehrstuhl für
Digital Additive Production DAP
Gruppe Data Driven Design
Campus-Boulevard 30
52074 Aachen
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