Keywords: EHLA, Korrosions- und Verschleißschutz, Beschichtungs-Technologie, Nachhaltigkeit

Mehrskalenmodellierung von additiv gefertigten Schichtmaterialien: Der Schlüssel zu langlebigeren Beschichtungen?

Starker Verschleiß von Oberflächen begegnet uns überall dort, wo hohe Belastungen auftreten – in der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbereich oder in Hochleistungsmaschinen. Um diese Oberflächen widerstandsfähiger zu machen, werden spezielle Beschichtungen aufgetragen. Diese müssen enormen Druck, hohen Temperaturen und intensiven Reibungskräften standhalten, ohne dabei ihre Funktionalität einzubüßen.

Die Herausforderung: Die Robustheit dieser Beschichtungen wird nicht nur durch ihre chemische Zusammensetzung bestimmt, sondern auch durch ihre Mikrostruktur und die bei der Herstellung entstehenden Spannungen. Durch moderne Simulationsmethoden kann das Verhalten von Schichten unter verschiedenen Belastungsbedingungen analysiert werden, was wertvolle Erkenntnisse für deren gezielte Optimierung liefert.

Die Grenzen klassischer Simulationsmethoden

Traditionelle Simulationsmethoden betrachten jedoch entweder die makroskopischen Eigenschaften eines gesamten Bauteils oder die mikroskopischen Mechanismen auf Partikelebene. Doch genau an der Schnittstelle dieser Skalen passieren die wirklich entscheidenden Prozesse: Mikrorisse, Versetzungen und Phasenübergänge, die maßgeblich über Verschleiß und Lebensdauer einer Beschichtung bestimmen.

Hier setzt die Mehrskalenmodellierung an – ein Ansatz, der verschiedene Skalen kombiniert, um ein präziseres Gesamtbild zu erhalten.

Unser neues Forschungsprojekt: Mehrskalenmodellierung des mechanischen Verhaltens von additiv gefertigten Beschichtungen

Mit unserem bald anlaufenden interdisziplinären Forschungsprojekt der Research Area Digital Material in Kooperation mit dem Institut für Angewandte Materialien – Zuverlässigkeit und Mikrostruktur des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchen wir genau diese komplexen Zusammenhänge. Unser Ziel ist es, ein tieferes Verständnis darüber zu gewinnen, wie sich Beschichtungen in Hochleistungsanwendungen unter mechanischer Belastung verhalten und wie wir ihre Haltbarkeit gezielt verbessern können.

Was ist Mehrskalenmodellierung und wie funktioniert sie?

Mechanische Eigenschaften eines Materials entstehen durch das Zusammenspiel mehrerer Ebenen. Die Mehrskalenmodellierung ermöglicht es, dieses Verhalten über verschiedene Skalen hinweg zu analysieren:

  • Atomare Skala: Chemische Bindungen, Diffusionsprozesse und Gitterstrukturen beeinflussen das Grundverhalten des Materials.
  • Mikroskala: Die Kornstruktur, Partikelverteilung und Mikrospannungen bestimmen, wie sich das Material unter Last verhält und ob es zu Rissen oder plastischer Verformung kommt.
  • Mesoskala: Die Wechselwirkung mikroskopischer Defekte beeinflusst das makroskopische Verhalten – hier entstehen Materialermüdung und Versagen.
  • Makroskala: Das Gesamtverhalten des Bauteils, das letztlich für den Einsatz in realen Anwendungen entscheidend ist.

Mehrskalenmodellierung nutzt verschiedene Simulationsansätze, um diese Ebenen zu verbinden. Dazu gehören beispielsweise:

  • Finite-Elemente-Methoden (FEM) zur Analyse von Spannungen und Verformungen auf Makroebene.
  • Diskrete Versetzungsdynamik, um zu verstehen, wie Defekte im Material wachsen und sich ausbreiten.

Unsere Forschungsschwerpunkte

Unser Forschungsprojekt untersucht, wie additiv gefertigte Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe (MMC-Beschichtungen) optimiert werden können. Dabei setzen wir auf einen dreistufigen Forschungsansatz:

  1. Prozess-Simulation und Mikrostrukturuntersuchung: Mithilfe von Modellen des Laserauftragsschweißens (z. B. HS-DED) und mikrostruktureller Untersuchungen realer Proben analysieren wir, wie Temperaturverläufe, Partikelverteilung und Eigenspannungen die Mikrostruktur beeinflussen.
  2. Mikro- und mesoskalige Modellierung: Wir untersuchen, wie sich Partikel und Matrixmaterial unter Belastung verformen, wo Schwachstellen entstehen und wie Risse wachsen.
  3. Optimierung der Materialparameter: Die Ergebnisse der ersten beiden Schritte helfen uns, bessere Materialparameter zu definieren, um langlebigere und widerstandsfähigere Beschichtungen zu entwickeln.

Indem wir Mikro- und Makroskala mit Skalierungsmethoden verknüpfen, können wir präzisere Vorhersagen treffen, wie sich Beschichtungen in Hochleistungsanwendungen unter realen Bedingungen verhalten und welche Änderungen an der Mikrostruktur ihre Leistungsfähigkeit verbessern können.

Unsere konkreten Forschungsziele

Wir möchten ein tiefgehendes physikalisches Verständnis darüber entwickeln, wie sich die Struktur und Eigenschaften additiv gefertigter MMC-Beschichtungen unter mechanischer Belastung verhalten. Dieses Wissen soll genutzt werden, um gezielt die Materialeigenschaften zu optimieren. Besonders wichtig ist dabei die Wechselwirkung zwischen der Mikrostruktur der Beschichtungen und ihrem mechanischen Verhalten unter realen Einsatzbedingungen.

Ein zentraler Bestandteil unserer Forschung ist die Identifikation der entscheidenden Einflussfaktoren für die Lebensdauer und Widerstandsfähigkeit dieser Schichten. Hierzu kombinieren wir experimentelle Untersuchungen mit Simulationsmethoden, um eine fundierte, datenbasierte Modellierung der Beschichtungen zu entwickeln. Mithilfe dieser Erkenntnisse können wir gezielt Anpassungen an Prozessparametern und Materialzusammensetzungen vornehmen, um die Leistungsfähigkeit der Beschichtungen deutlich zu verbessern.

Darüber hinaus untersuchen wir die Übertragbarkeit unserer Erkenntnisse auf andere Materialsysteme. Unser Ziel ist es, Modelle und Methoden zu entwickeln, die nicht nur für spezifische Anwendungen funktionieren, sondern auch in anderen Industriebereichen anwendbar sind. Dies trägt dazu bei, unsere Forschungsergebnisse breit nutzbar zu machen und neue innovative Lösungen für Hochleistungsbeschichtungen zu ermöglichen.

Wo unsere Forschung einen Unterschied macht

Unsere Forschungsergebnisse werden sowohl für die Wissenschaft als auch für verschiedene Industriezweige von Bedeutung sein. Durch verbesserte Beschichtungen lassen sich die Lebensdauer von Bauteilen verlängern, Wartungskosten reduzieren und nachhaltigere Produktionsprozesse ermöglichen.

Wer profitiert?

  • Industrie (Automobil & Luftfahrt): Hochwertigere Beschichtungen sorgen für längere Einsatzzeiten und reduzieren Wartungsaufwand.
  • Materialwissenschaftler & Ingenieure: Neue Erkenntnisse ermöglichen die Weiterentwicklung bestehender Modelle und die Entwicklung innovativer Simulationsansätze.
  • Hersteller additiver Fertigung: Genaue Prozesssteuerung führt zu hochwertigeren, langlebigeren Beschichtungen.
  • Nachhaltigkeit & Umwelt: Robuste Materialien bedeuten weniger Ressourcenverbrauch und geringere Abfallmengen.

Unser Forschungsprojekt kann somit wertvolle Impulse für die Entwicklung leistungsfähiger und nachhaltiger Materiallösungen liefern. 

Dieses Projekt wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Dr. Markus Sudmanns

Markus Sudmanns, Dr.-Ing.

RWTH Aachen Lehrstuhl für
Digital Additive Production DAP
Campus-Boulevard 73
52074 Aachen

→ markus.sudmanns@dap.rwth-aachen.de